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Preisanpassungs- und Preisgleitformeln in der Einkaufspraxis

Zukünftige Marktmechanismen bestimmen den Preis

Die Wertansätze für einzelne preisbestimmende Elemente (z. B. Material und Lohn), die sich außerhalb des Verantwortungsbereichs der Vertragspartner bilden, werden von den zukünftigen Resultaten des Marktmechanismus abhängig gemacht. Preisgleitklauseln werden oft bei öffentlichen Aufträgen sowie im Anlagen- und Seriengeschäft mit längeren Lieferfristen eingesetzt. Sie sind aber auch beim Einkauf von energieintensiven Produkten wie zum Beispiel Glas, Guss- und Metallprodukte und Kabel zu finden. Generell werden unbestimmte und definierte Preisgleitklauseln unterschieden.

 

Unbestimmte Preisgleitklauseln

Klauseln wie z. B. „Sollte es während der Vertragslaufzeit zu Lohn- oder Materialkostenänderungen kommen, so sind wir berechtigt, die Preise anzupassen.“ berücksichtigen zwar das Risiko von nicht beeinflussbaren Faktoren, stellen aber wegen der fehlenden Eindeutigkeit keine befriedigende Lösung des Problems dar. Auch einseitige Preisgleitklauseln sind nicht besonders fair und werden in der Praxis nur mit Hilfe einer starken Position „durchgedrückt“. Beispiele:

  • „Die Preise basieren auf heutigen Kosten. Steigen/sinken die Kosten bis zum Zeitpunkt der Lieferung, steigt/sinkt auch der Preis.“
  • „Sinken/steigen die Kosten bis zum Zeitpunkt der Lieferung, gilt der heute vereinbarte Preis.“

Beide Klauseln weisen die genannten unabwägbaren Marktrisiken jeweils nur einem Vertragspartner zu.

 

Definierte Preisgleitklauseln

Beide Geschäftspartner einigen sich hier bei einem mehrjährigen Vertragsabschluss darauf, dass die einzelnen Preiselemente mit Hilfe einer mathematischen Preisgleitformel automatisch angepasst werden. Dabei werden dem Preis die Lohn- und Materialanteile zugeordnet. Oft ist es sinnvoll, sogar mehrere Materialanteile zu definieren. Bei der Bestimmung von Wertansätzen für Material können die tatsächlichen, tagesaktuellen Börsenpreise der Rohstoffe (z. B. Nickel oder Kupfer) oder Preisindizes herangezogen werden. Beim Bestimmen der Wertansätze für „Lohn“ kann die Referenz-Lohngruppe aus dem jeweiligen Tarifvertrag genommen werden.

Wichtig: Die Summe der Lohn- und Materialanteile muss immer 100 % ergeben.

 

Preisanpassungsformeln

Die Preisanpassungsformel hat die Aufgabe, eine voraussichtliche positive oder negative Teuerungsentwicklung vom Zeitpunkt des Angebots bis zum Inkrafttreten des Vertrages auszugleichen und damit eine neue Preisbasis für den Vertragsbeginn zu schaffen. Sie wird vor allem im Zusammenhang mit Optionen und Angeboten mit langer Gültigkeitsdauer verwendet.

Wichtig: Die Preisgleitformel und die Preisanpassungsformel unterscheiden sich voneinander in der Anwendung der Vorläufe (Zeitpunkte für die Indexberechnung).

 

5 Grundsätze für den Praxiseinsatz

1. Einer Preisanpassungsformel oder Preisgleitformel können im variablen Teil nur Kostenelemente unterworfen werden, für welche ein allgemein verfügbarer Index besteht.

2. Jede Preisanpassungsformel und Preisgleitformel muss auf das spezielle Geschäft abgestimmt sein.

3. Die Struktur der Preisanpassungsformel und der Preisgleitformel und deren materieller Aufbau richtet sich immer nach den betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten beim Lieferanten, dem Produkt und den Fristen.

Wichtig: Es wird nie möglich sein, eine Preisanpassungsformel oder Preisgleitformel so zu gestalten, dass mit Sicherheit die kommende lohnseitige und materialseitige Teuerung einer bestimmten Firma für ein konkretes Geschäft genau abgedeckt ist. Eine diesbezügliche Optimierung kann jedoch dann erreicht werden, wenn konsequent nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen vorgegangen wird.

4. Das einzelne konkrete Geschäft ist somit die Basis für die Preisanpassungsformel oder Preisgleitformel . Dabei können die anzuwendenden Formeln sogar bei einer Nachbeschaffung des gleichen Gegenstandes bei der gleichen Firma verschieden sein, wenn der Zeitablauf bezüglich anfallender Kosten oder das Verhältnis der eigenen Wertschöpfung und des Materialeinkaufes sich verändern.

5. „Standard-Formeln“ mit festgelegten Prozentanteilen gegenüber einer Firma (oder einer Produkte-Gruppe dieser Firma) sind ungeeignet.

 

Autor: Jens Holtmann